Sebastian Mathis — Noch immer geht mir ein Streit...

Noch immer geht mir ein Streit den ich vor fast 2 Jahren auf Twitter hatte nicht aus den Kopf. Es ging um die Frage, wie wir als Eltern die Interesse unserer schwerbehinderten Kinder in der Öffentlichkeit vertreten können ohne dabei die Würde des Kindes zu verletzen.

Natürlich ist ein Austausch zwischen Eltern und Erwachsenen mit Behinderung wertvoll, denn wir als nicht-Betroffene Eltern können die Perspektive des Kindes nicht einnehmen. Aber viele Erwachsene mit Behinderungen können wiederum die Perspektive von Eltern von Kindern mit Behinderung nicht einnehmen

Sebastian Mathis

Darüber hinaus ist die Gruppe der Menschen mit Behinderung kein homogener Block, die Erfahrungen von Ausgrenzung sind leider vielfältig und ganz unterschiedlicher Natur. Menschen die hier auf Bluesky oder auf Twitter schreiben teilen nicht alle Erfahrungen von Menschen, die das nicht können.

Sebastian Mathis

Ich würde mir eine Diskussion über diese Frage wünschen, sie muss nicht nett sein aber irgendwie fair. Es ist nicht ok Eltern, die in einer solchen Debatte ihre eigenen Interessen (die viel zu selten gesehen werden) vertreten unmittelbar als Ableist*innen zu brandmarken.

Sebastian Mathis

Am Ende nämlich, so glaube ich haben Menschen mit Behinderungen keine naheliegenderen Koalitionspartner*innen als die Eltern solcher Menschen. Und das soll nicht die möglichen (gegenseitigen) Verletzungen und schwierigen Erfahrungen relativieren aber ihnen einen anderen Platz zuweisen.

Sebastian Mathis

Aber da ist die Form wichtig.

Werde ich laut und mache aufmerksam in dem ich meine Kinder bloß stelle?

Dann ist das falsch.

Adressiere ich meine Wut, meinen Ärger und Frust falsch, weil ich zB die Behinderung und nicht die Umstände als Problem definiere, dann ist das falsch.

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AnitaWorks9698

Schreibe ich unter Klarnamen oder Pseudonym ist ein weiterer Punkt.

Dazu zählt dann auch, ob und wie ich mein Kind oute.

Hier speziell zu Autismus autismuskeepcalmandcaryon.wordpress.com/2017/02/12/a... aber das ist generell ein Problem.

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Als Autist outen – wie, wo, wer und überhaupt

Es gibt Tage, da weiß ich nicht, was in Eltern gefahren ist. Mal möchte jemand sein Kind mit einem T-Shirt als Autist outen. Mal lädt jemand das Bild seines Kindes unverpixelt bei Facebook hoch, wo kl...

autismuskeepcalmandcaryon.wordpress.com

AnitaWorks9698

Und der nächste Punkt ist, wenn es um Gespräche mit erwachsenen Behinderten geht,

WIE möchte ich oder Du

dass in Zukunft mit meinen Kindern gesprochen wird.

Wie viel Respekt fordere ich für meine Kinder ein und bin ich bereit, diesen Respekt erwachsenen Behinderten auch zu zollen.

AnitaWorks9698

Und WENN ich mit einer Person aneinander rappel, ist es wegen der Behinderung oder Ansichten dazu oder weil ich mit der Person ein Problem habe.

DAS sollte ordentlich adressiert sein.

Wir Eltern sind im besten Fall Experten für manche Verwaltungsangelegenheiten oder durch Not für Therapie etc.

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AnitaWorks9698

Nein, da möchte ich nicht mitgehen: wenn man Ableism mit Behindertenfreindlichkeit gleichsetzt akzentuiert man einen Aspekt von Ableismus und unterschlägt eine Reihe anderer Aspekte. Freundlichkeit suggeriert irgendwie eine Intention, leider aber resultiert Ableismus häufig aus Gedankenlosigkeit.

AnitaWorks9698

Ich glaubte du könntest dich an den Streit auf Twitter vor 2 Jahren erinnern - aber sicher ist das eine komische Erwartung, denn natürlich war das für nicht unmittelbar beteiligte sicherlich weniger eindrücklich als es für mich gewesen ist. Im Kern richtete sich der Vorwurf des Ableismus gegen mich

Sebastian Mathis

Ich hatte vor 3 oder 4 Jahren eine sehr unerfreuliche "Diskussion" mit einer Dame, deren einer Zwilling eine Behinderung hat und die deswegen Inklusion für SICH als Person einforderte und die dafür jeden Behinderten unter "den Bus warf".

Sie war / ist auch alleinerziehend und nahm/nimmt sich >

Sebastian Mathis

Ganz ehrlich - wie gesagt, vielleicht bin ich in der falschen Stimmung, ich habe keine Lust Menschen mit Behinderung vor den Bus zu werfen, aber ganz sicher auch keine (wahrscheinlich überforderte) Mütter, die sich möglicherweise unpräzise ausdrücken...und erst recht nicht solche...

AnitaWorks9698

Das hat aber nur indirekt mit uns als Eltern zu tun.

Ja, wir sind primär betroffen, weil wir die Pflege übernehmen, aber DAS betrifft auch die Alten.

Ich habe 2 Jahre meine Mutter gepflegt UND mich um sämtliche Belange meiner autistischen Kinder gekümmert.

Glaub mir, bei der Pflege von Alten >

AnitaWorks9698

der gegen Mütter gerichtete implizite Vorwurf des Unvermögens gesunde Kinder zur Welt zu bringen ist in meinen Augen eine Form des Ableismus in eigentlichen Sinne. Man kann sicherlich dagegen argumentieren, aber ich möchte mir diesen Gedanken nicht ohne weiteres vom Tisch wischen lassen.

Sebastian Mathis

Ich finde, dass zu oft mit zu hohem Blutdruck ist oft ein Problem und es ist sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass das Ganze in den Sozialen Medien stattfindet...und nicht selten so wie bei mir gerade zwischen Tür und Angel...ich bin in meinen Äußerungen leider nicht immer wohlbedacht...

Sebastian Mathis

Ja, das ist ein Problem, wenn man voll im Stress drin hängt und eine gewisse Grundaggression in der eigenen Stimmung liegt.

Ich kenne das durchaus.

Es ist nur die Frage, ob es zielführend ist, mit dieser Grundstimmung eine Grundsatzdiskussion führen zu wollen.

Da hilft mE nur, Handy hinlegen - >

Sebastian Mathis

Bisher habe ich noch keine Selbstvertreter kennen gelernt, die auch nur annähernd die Bedürfnisse meiner Tochter so gut erkennen kann wie ich.
Viele Eltern wollen loslassen und würden ihre Töchter und Söhne gerne in ein möglichst "normales" Leben entlassen. Aber die Bedingungen sind katastrophal.

Inge Rosenberger

Gleichzeitig müssen wir Eltern noch gegen die Missachtung und Benachteiligung kämpfen, die sich speziell auf die Menschen konzentriert, die sich nicht selbst vertreten können.
Für dieses Thema konnte ich von Seiten der Selbstvertreter nur sehr selten echtes Interesse und Unterstützung erfahren.

Inge Rosenberger

Mit Menschen, die sich ganz konkret für meine Tochter und ihre Bedürfnisse, für mich und meine Erfahrungen interessieren, habe ich bisher immer einen guten Austausch gehabt. In geschlossenen Räumen rede ich mit einigen wenigen Menschen auch über Dinge, die ich öffentlich nie diskutieren werde.

Inge Rosenberger

Und da sind wir - ohne dass ich einen Vorwurf formulieren möchte schon wieder an der Stelle angelangt, wo Eltern sich irgendwie rechtfertigen.
Das die Beziehung zwischen Kindern und Eltern bisweilen kompliziert sein können ist ja kein Alleinstellungsmerkmal von Kindern mit Behinderung.

Inge Rosenberger

Mir ging es ja im Speziellen hier darum, dass die Interessen der Eltern von niemandem so recht wahrgenommen werden...dass niemand auf der Uhr hat in welch dramatischer Lage sich diese Menschen befinden. Und das man nicht annehmen kann, daß Menschen mit Behinderungen automatisch als Fürsprecher*innen

Sebastian Mathis

ihrer Eltern auftreten. Und ja, dafür gibt es einen Haufen verständlicher Gründe, aber das macht es für die betroffenen Mütter und manchmal auch Väter nicht gerade einfacher. Ich verstehe das Anliegen von Menschen mit Behinderungen sich von den Eltern zu emanzipieren...

Sebastian Mathis

aber das ist eben ein weiterer Baustein der totalen Überlastung der Eltern...dass sie für ihr Engagement, ihren Einsatz noch nicht einmal Dank erwarten können und eigentlich auch nicht erwarten sollen. Das Kind kann ja auch nichts dafür, dass es so viel Arbeit macht.

Sebastian Mathis

Ich habe es auch nicht als Vorwurf empfunden. Bei vielen Eltern regt mich diese Überbehütung ja selbst auf.
Bemerkenswert ist dein Hinweis, dass es kein Alleinstellungsmerkmal von Kindern mit Behinderung ist. Und ich frage mich gerade, wieso ich noch nicht selbst auf den Gedanken gekommen bin.

Sebastian Mathis

Es klingt immer so schön logisch, ist es aber nicht. Bei jeder Diskriminierungsform lässt sich feststellen, dass die Menschen in der machtloseren Position sehr viel über die Verhaltensweisen und -muster der Privilegierten und Diskriminierenden wissen. Müssen sie auch, um damit umzugehen.

Sebastian Mathis

Dagegen ist eine macht- und diskriminierungskritische Reflektion das, was Eltern von trans Kids, behinderten Kids usw usw meist erst angehen, wenn es für sie qua eigener Lebensrealität ansteht.

Und das zu verstehen, ist oft ein wichtiger Schritt und macht dann auch viel dieser Abwehrarbeit obsolet.

Mo

Zu solcher Abwehrarbeit gehören solche Aussagen, wie "Du kennst meine Lebensrealität ja nicht, denn Du bist nicht nicht-behindert". (Ggf. sogar in der Mehrzahl, wie bei Dir.)

Ein Begriff, der für dieses rhetorische Vorgehen oder Verhalten genutzt wird, ist "Delegitimierung".

Mo

Noch ein Nachtrag: Was die 3% der Menschen mit einer [für die Eltern und meist auch das Umfeld erkennbaren] Behinderung geborenen allerdings wissen ist, wie die Lebensrealität als behindertes Kind von Nicht-Behinderten ist.

Vielleicht noch was für die Reflektion.

Mo

Noch ein Nachtrag: Was die 3% der Menschen mit einer sei Geburt/den ersten Lebensjahren [für die Eltern] erkennbaren Behinderung allerdings durchaus wissen: Wie die Lebensrealität von nicht-behinderten Eltern mit einem behinderten Kind ist.

Vielleicht noch was für die Reflektion.

Mo

Es tut mir leid, ich kann dir nicht ohne weiteres folgen. Ich glaube hier gibt es ein ganz wesentliches Missverständnis. Und das glaube ich ganz gut an diesem Satz festmachen zu können:
"trans Kids, behinderten Kids usw usw". Das Problem ist das "usw".

Mo

Es gibt da kein usw. Es ist einfach unpräzise, diesen Fall "Kinder mit Behinderung" unter andere Fälle zu subsumieren. Die Beschreibung des Machgefälles ist auch eine absurde Vereinfachung, Mütter von Kindern mit Behinderung den privilegierten zuzurechnen ist aus meiner Perspektive bemerkenswert.

Sebastian Mathis

Aber ich finde es einerseits spannend und andererseits irritierend was hier passiert. Denn ich relativiere an absolut keiner Stelle die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung. Aber es macht keinen Sinn diese in irgend einer Weise gegen andere Benachteiligung aufrechnen zu wollen.

Sebastian Mathis

Es gibt natürlich noch immer gigantische Defizite in westlichen Gesellschaften. Aber es gibt ein grundsätzliches Problembewusstsein und auch Gesetze (die nicht hinreichend durchgesetzt werden) aber im Falle der Eltern fehlt ein weitreichender Konsens der über das "ach die arme Mutter" hinausreicht.

Sebastian Mathis

Aber wenn sich Eltern (bzw. Mütter) über ihre desolaten Lebensumstände beklagen dann scheint es mir immer wieder so, als ob man diese Klage nicht so ganz erst nehmen wollte. Und dagegen möchte ich mit großer Entschiedenheit argumentieren, denn die mir naheliegendste Erklärung für diese Reaktion...

Sebastian Mathis

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